Jahresbericht 2024
Menschreich e.V.
Hilfe, Aufklärung und digitale Innovation bei Sucht und seelischer Belastung
Veröffentlicht im März 2025
Grußwort / Vorwort
Das Jahr 2024 war für Menschreich e.V. geprägt von Engagement, Weiterentwicklung und mutigen Ideen. Im Zentrum unserer Arbeit standen drei digitale Projekte, die auf ganz unterschiedliche Weise versuchten, Menschen mit Suchtproblemen oder mit einem suchtbelasteten Umfeld zu erreichen und zu unterstützen. Dabei wurde deutlich: Die Digitalisierung kann ein wichtiges Werkzeug sein – aber nicht jedes Format entfaltet automatisch Wirkung. Umso wichtiger war es für uns, offen zu bleiben, zu lernen und flexibel zu reagieren.
Unser Dank gilt allen, die uns auf diesem Weg begleitet haben: unseren Mitgliedern, den Ehrenamtlichen, den Partner:innen aus Fachstellen und Selbsthilfegruppen, und nicht zuletzt jenen Menschen, die mit uns ihre Geschichten geteilt haben.
Über uns
Menschreich e.V. versteht sich als Verein, der psychosoziale Unterstützung für Menschen mit Suchterfahrungen anbietet – direkt, lebensnah und ohne erhobenen Zeigefinger. Wir arbeiten mit einem kleinen, aber engagierten Team aus Fachkräften, Ehrenamtlichen und Betroffenen. Im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen Begegnung auf Augenhöhe, niedrigschwellige Zugänge und die Überzeugung, dass Veränderung möglich ist – wenn Menschen sich gesehen und verstanden fühlen. Im Jahr 2024 lag unser Fokus besonders auf digitalen Formaten und dem Ausbau unserer inhaltlichen Arbeit im Bereich Aufklärung und Prävention.
Projekt 1: „Alex’ Leben“ – Ein digitales Tagebuch auf Instagram
Mit dem Projekt „Alex’ Leben“ haben wir einen Versuch gestartet, das Thema Sucht in Familien auf eine neue, zeitgemäße Art sichtbar zu machen. Alex ist eine fiktive, nicht-binäre Jugendliche, die auf Instagram über ihren Alltag berichtet – ehrlich, leise, manchmal wütend, aber immer nahbar. Sie lebt mit einer alkoholkranken Mutter, kämpft mit den Folgen einer eigenen Suchtvergangenheit und sucht nach Halt. Ihre Beiträge verknüpften persönliche Erfahrungen mit Links zu Beratungsangeboten, Informationen über Suchtmittel und Mutmach-Botschaften.
Obwohl das Projekt inhaltlich berührend und fundiert war, blieb die Resonanz hinter den Erwartungen zurück. Die Interaktionen waren gering, die Follower-Zahlen entwickelten sich nur langsam. Dennoch erreichten uns einzelne sehr persönliche Nachrichten, die uns zeigten: Für manche war Alex eine echte Stütze. Aus diesem Grund haben wir beschlossen, das Projekt nicht aufzugeben, sondern neu zu denken. Für 2025 ist ein Rebranding geplant – auf anderen Plattformen, mit kürzeren Videoformaten und einer zielgerichteteren Ansprache.
Projekt 2: „YOGA gegen SUCHT“ – Eine App für Achtsamkeit und Stabilisierung
Das zweite große Projekt war unsere App „YOGA gegen SUCHT“. Sie wurde entwickelt, um Menschen mit Suchterfahrungen einen Zugang zu achtsamkeitsbasierter Selbsthilfe zu ermöglichen. In der App finden sich über 150 Übungen, die individuell auswählbar und auf den jeweiligen Zustand der Nutzer:innen zugeschnitten sind. Die Inhalte wurden von Yoga-Lehrenden mit eigener Suchtgeschichte entwickelt und mit psychoedukativen Modulen ergänzt.
Die App stieß bei Fachkräften auf große Zustimmung und wurde in mehreren Einrichtungen testweise eingesetzt. Das Feedback war durchweg positiv: Viele empfanden die App als sanfte, hilfreiche Unterstützung, vor allem in Momenten des Suchtdrucks oder bei innerer Unruhe.
Die Nutzungszahlen blieben allerdings unter unseren Erwartungen. Die Verbreitung über App-Stores und Social Media war schwierig, und im Vergleich zu kommerziellen Apps mit großem Werbebudget fehlte es an Sichtbarkeit.
Nach intensiver Diskussion wurde entschieden, dass die App nicht weiter aus Vereinsmitteln betrieben wird. Eine engagierte Gruppe von Mitgliedern hat sich jedoch bereiterklärt, die App in Eigenregie weiterzuführen. Ab Juni 2025 soll eine überarbeitete Version erscheinen – mit Erinnerungsfunktionen, kürzeren Modulen und neuen Inhalten.
Projekt 3: „STOFFLOS“ – Ein Spiel mit guten Absichten und klaren Grenzen
Das dritte große Projekt, „STOFFLOS“, war ein interaktives Computerspiel, das Jugendliche in realistische Entscheidungssituationen rund um das Thema Drogen und Sucht bringen sollte. Die Spielstruktur war offen, nicht linear, und ließ viele Wege zu – ganz so, wie es im echten Leben auch der Fall ist. Eingebettet waren Informationen zu Substanzen, emotionale Konflikte, Hilfsangebote und Rückfallthemen.
Inhaltlich war das Projekt sorgfältig ausgearbeitet. Die technische Umsetzung lief reibungslos. In der Testphase zeigten sich viele Jugendliche interessiert. Doch nach der Veröffentlichung versiegte das Interesse. Die Verweildauer im Spiel war sehr gering, die Zugriffszahlen blieben enttäuschend. Die Gründe lagen vermutlich in der fehlenden Bekanntheit, dem begrenzten Budget für Öffentlichkeitsarbeit und der Konkurrenz durch andere, stärker gamifizierte Angebote.
Die Entscheidung fiel uns nicht leicht, aber sie war notwendig: „STOFFLOS“ wird eingestellt. Einzelne Inhalte werden als Downloadpakete aufbereitet und anderen Fachstellen zur Verfügung gestellt, die diese in Workshops oder Gruppensettings nutzen möchten.
Vereinsentwicklung und Strukturarbeit
Neben den Projekten stand 2024 auch ganz im Zeichen der inneren Weiterentwicklung unseres Vereins. Im November fand die ordentliche Mitgliederversammlung in Düsseldorf statt. Dort wurden nicht nur neue Mitglieder begrüßt, sondern auch wichtige strukturelle Weichen gestellt.
Es wurde eine Anpassung der Mitgliedsbeiträge beschlossen und ein neues Aufnahmeverfahren eingeführt, das den Zugang erleichtern und gleichzeitig Verbindlichkeit stärken soll. Die Gruppenstruktur wurde überarbeitet, um regionale Präsenzangebote besser zu unterstützen. Zudem wurde darüber beraten, die Geschäftsstelle in einen zentraleren, barrierearmen Standort zu verlegen. Eine endgültige Entscheidung steht hier noch aus.
Besonders erfreulich war die Initiative einzelner Mitglieder, sich stärker um Menschen mit Doppeldiagnosen zu kümmern – also jene, die neben einer Suchterkrankung auch psychisch stark belastet sind. Für diese Zielgruppe sollen 2025 spezifische Angebote entwickelt werden.
Ebenso angestoßen wurde eine stärkere Öffnung des Vereins für die LGBTQIA+ Community. Es wurde beschlossen, inklusivere Kommunikationswege zu etablieren, gezielte Veranstaltungen zu planen und Sensibilisierungsarbeit innerhalb des Vereins zu leisten.
Finanzen und Ressourcen
Die Arbeit von Menschreich e.V. wäre nicht möglich ohne das hohe Engagement unserer Ehrenamtlichen. Auch 2024 wurde ein erheblicher Teil der Leistungen unentgeltlich erbracht. Die Finanzierung der Projekte erfolgte durch eine Mischung aus Fördermitteln, Spenden und Eigenmitteln. Die Verwaltungskosten wurden niedrig gehalten, der größte Teil floss direkt in Inhalte, Technik und Öffentlichkeitsarbeit.
Ausblick auf 2025
2025 wird für Menschreich e.V. ein Jahr der Konsolidierung und Neuausrichtung. Nach den Erfahrungen mit drei sehr unterschiedlichen digitalen Projekten ist klar geworden, dass digitale Arbeit weiterhin Teil unseres Weges sein wird – aber in neuer, fokussierter Form. Kleinere Formate, stärkere lokale Verankerung und Kooperation mit etablierten Partnern werden im Vordergrund stehen. Gleichzeitig soll unsere Beratungsarbeit vor Ort gestärkt und neue, niedrigschwellige Gruppenangebote aufgebaut werden.
Danksagung
Wir danken allen Menschen, die 2024 mit uns gestaltet, gedacht, geträumt und getragen haben. Danke an die Förderer, die Mut gemacht haben, an die Partner, die ihre Expertise eingebracht haben, an die Mitglieder, die an den Verein glauben – und ganz besonders an jene, die uns ihre Geschichte erzählt haben. Ohne euch gäbe es keine Inhalte. Keine Haltung. Kein Menschreich.
Der Vorstand
Menschreich e.V.
März 2025
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